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Thomas Kreimeyer


Thomas Kreimeyer (geb. 1957) studierte Medizinsoziologie und promovierte in Indien zum Thema Kommunikation. Dort liess sich der Berliner in einem Ashram auch zum Yogalehrer ausbilden. Ab 1989 besuchte er in Paris eine Schauspielschule.

Danach war er in Deutschland einige Jahre mit Improvisationstheater-Gruppen auf Tour. Seit Ende der 90er-Jahre ist Kreimeyer mit seinem «Kabarett der rote Stuhl» solo unterwegs. (rbe) [St.Galler Tagblatt | 25.05.2010]


 

Presse Berichte

Landshuter Zeitung, Samstag, 9. November 2019

«Der rote Stuhl» im Kleinen Theater

Thomas Kreimeyer gastiert mit seinem Programm bei der WortStark-Reihe.

Es gibt nichts Schlimmeres für ein Publikum, als plötzlich bei einem Kabarett-Programm mitmachen zu müssen. Dieser Grundsatz galt bisher auch im Kleinen Theater. Seit Thomas Kreimeyer am Donnerstagabend mit seinem Programm 'Der rote Stuhl' dort gastierte, hat sich das geändert. Da der charmante Kommunikationskünstler keinen auf den harten roten Bühnen-Stuhl packte, sondern (fast) jedem geschickt das Gefühl gab, aus dem bequemen Ohrensessel heraus über sein Leben erzählen zu können, wurden sehr schnell aus zurückhaltenden Zuschauern mitteilungsfreudige Mitspieler, die Thomas Kreimeyer am Ende mit großem Applaus für einen ebenso ungewöhnlichen wie unterhaltsamen Kabarett-Abend dankten.

 

Reagieren, interagieren und kommentieren

Was genau da auf der Bühne und im Zuschauerraum passierte, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Thomas Kreimeyer betritt den Raum und beginnt sofort zu interagieren. Er sieht eine Zuschauerin, die gerade noch ihr Hörgerät justiert, und verwickelt diese sofort in ein Gespräch.

Die Dame reagiert, er kommentiert, das Publikum lacht. Bald folgt mit einem Seitenhieb auf das sprichwörtliche Kommunikationsbedürfnis ('Man muss nur ein Verb andeuten, und schon macht sie eine Kurzgeschichte daraus') der Schwenk zu einem Herrn mit langer, weißer Haarpracht. Dessen Erklärung, dass die Matte ihn schon seit den 68ern schmücke, kommentiert er ebenso spontan wie hintersinnig: 'Ihre Frisur ist also eine Antwort auf ein Überangebot an Glatzköpfen.' Dabei lenkt Kreimeyer die Gespräche mit unmerklichem Geschick von einem Zuschauer zum nächsten; verweilt bei unterhaltsamen und mitteilungswilligen Persönlichkeiten länger, lenkt den Fokus aber auch mit gutem Gespür und Routine schnell weiter, wenn er Unsicherheiten bemerkt. In seinen beiden Grundrollen des erstaunten Spiegels oder des wohlwollenden Ratgebers kitzelt er aus seinen Zuschauern, die in diesen Momenten zu Mitspielern werden, selbst intime Details heraus. So bleibt er nicht bei Standard-Anknüpfungspunkten der geographischen Herkunft oder der Berufswahl stehen, sondern forscht auch öfter durchaus forsch etwa nach der ersten Liebe, Heirats- oder Kinderwunsch.

 

Doch dabei wird nie jemand bloßgestellt; vielmehr verfügt der Improvisationskünstler Kreimeyer bei aller Spontaneität über das nötige Geschick und die sympathische Ausstrahlung, dass sich Mitspieler wie auch Zuschauer jederzeit im Gefühl bester Unterhaltung entspannen. -iel-


 

Hintergrund-Informationen aus www.kabarett-der-rote-stuhl.de

Werdegang eines interessierten Ratlosen

Bei meiner Geburt waren meine Geschwister auf einen neuen Spielgefährten eingestellt und begrüßten mich mit hölzernen Bauklötzen, mit denen ich schlicht nichts anzufangen wusste. Der Beginn meiner Ratlosigkeit.

 

Mutter liest, Vater malt. Ich versuche es mit reden.

 

In der Abiturklausur im Fach Philosophie sollten wir von Jürgen Habermas‚ 'Erkenntnis und Interesse' mit astrophysikalischen Weltentstehungsmodellen vergleichen. Ich schaffe es, meine Ratlosigkeit sprachgewandt zum Ausdruck zu bringen. Immerhin.

 

Mit gleicher Strategie bewältige ich Mitte der achtziger Jahre auch mein Soziologie-Studium. Meine Ratlosigkeit ist jetzt akademisch verbrieft.

 

Immer mehr erhärtet sich mein Verdacht, dass es anderen Menschen ähnlich ergeht wie mir. Ratlosigkeit scheint eher nicht gesellschaftsfähig zu sein.

 

So gehe ich Ende der achtziger Jahre nach Indien, um zu erfahren, dass man sich dort im Lotussitz oder auf dem Kopf stehend der Ratlosigkeit annimmt. Und das schon seit tausenden von Jahren.

 

An der Theaterschule von Philip Gaulier in Paris lerne ich Anfang der neunziger Jahre, dass der Umgang mit meiner Ratlosigkeit durchaus auch lustvoll sein kann. Aus den interessierten (Blick-)Kontakten mit dem Publikum ergeben sich erstaunliche Wendungen für erstaunliche Fragen.

 

Auf der Suche nach den (Blick-)Kontakten, durchwandere ich in den Neunzigern das Scharlatan Theater in Hamburg, das Harlekin Theater und die Scheinbar in Berlin sowie Rundfunkanstalten und Seminare, diverse Galaveranstaltungen und Betriebsfeste.

 

 

Schließlich entsteht Ende der neunziger Jahre das 'Kabarett der rote Stuhl'. Mit meinem 'Steh-GreifKabarett' ist aus der Ratlosigkeit eine interessiert zugewandte Fragestellung geworden, die nach Verbindung trachtet. Immerhin.


 

Videos, Downloads




*Immanuel Kant

 

Erstellt: 20200306 | thomaskreimeyer.de