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Georg Kreisler                                                 17.7.1922-22.11.2011


Georg Franz Kreisler (geboren am 18. Juli 1922 in Wien; gestorben am 22. November 2011 in Salzburg) war ein Komponist, Sänger und Dichter.

Weltanschaulich sah er sich als Anarchist. Er stammte aus einer österreichischen Familie. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft war er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich 1938 mit seinen Eltern in die Vereinigten Staaten emigriert und nahm 1943 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. 1955 kehrte er nach Europa zurück.

Dagegen, vorrangig als Kabarettist bezeichnet zu werden, hat sich Kreisler, der diesen Beruf in jungen Jahren zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausgeübt hatte, immer wieder gewehrt. Ebenso verwahrte er sich dagegen, als Österreicher bezeichnet zu werden: „Aber auf keinen Fall bin ich Österreicher … Ich bin seit 1943 amerikanischer Staatsbürger, obwohl mir der Clinton noch nie zum Geburtstag gratuliert hat.“

Die Anfänge seiner Karriere lagen in den USA. Seit Mitte der 1950er Jahre wurde er im deutschen Sprachraum durch Lieder wie "Tauben vergiften", "Der Tod, das muss ein Wiener sein" und "Wie schön wäre Wien ohne Wiener" populär. Mit seinem schwarzen, tiefsinnigen Humor und Sprachwitz hat Kreisler das musikalische deutschsprachige Kabarett seiner Zeit als Interpret und Verfasser eigener Werke stark geprägt.


 

Hintergrund-Informationen aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Leben

Jugend

Georg Kreisler wurde als Sohn des jüdischen Rechtsanwaltes Siegfried Kreisler (1884–1970) und dessen Frau Hilda (1895–1942) im Wiener Sanatorium Hera geboren. Er war das einzige Kind seiner Eltern, aber es gab viel Verwandtschaft: Sein Vater hatte zehn Geschwister, seine Mutter vier. Er besuchte das Gymnasium Kandlgasse in Wien-Neubau und begann als Siebenjähriger mit der Musikausbildung am Klavier, später kamen Geige und Musiktheorie hinzu.

1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs, waren auch österreichische Juden den Repressalien gemäß den Rassengesetzen des Nationalsozialismus ausgesetzt. Im April 1938 wurde er mit den anderen jüdischen Schülern ausgeschlossen. Kreisler berichtete, beim Verlassen des Gymnasiums Kandlgasse bildeten die christlichen Mitschüler ein Spalier und beschimpften, bespuckten und schlugen ihre jüdischen Mitschüler. Es gelang seinem Vater noch rechtzeitig Ausreisepapiere zu erlangen und unter Verlust fast des gesamten Vermögens mit der Familie über Genua und Marseille in die USA zu emigrieren. Auf der Überfahrt fand Georg Kreisler einen Schachpartner in Bugsy Siegel, der als Schiffbrüchiger aufgenommen worden war.

Emigration in die USA

In Hollywood unterstützte ihn sein Vetter, der erfolgreiche Drehbuchautor Walter Reisch, finanziell und vermittelte Kontakte zum Filmgeschäft. Kreisler wurde mit einer Vielzahl deutsch-jüdischer Exilanten bekannt, die ebenfalls im Filmgeschäft unterzukommen suchten, allerdings kein Englisch sprachen. Mit 19 heiratete er Philine, die Tochter des Kabarettisten und Komponisten Friedrich Hollaender, trennte sich jedoch bald wieder von ihr. Arnold Schoenberg versuchte ihn an der University of California, Los Angeles unterzubringen, wo er abgelehnt wurde, da er keine Matura vorweisen konnte.

 

Kreisler wurde 1943 US-amerikanischer Staatsbürger und gleich darauf für den Zweiten Weltkrieg zur US-Armee eingezogen. Nach der Grundausbildung wurde er nach England verlegt und war in Yeovil und Devizes stationiert, wo er in Veranstaltungen, die er teilweise zusammen mit Marcel Prawy vorbereitete, Soldaten der D-Day-Truppen unterhielt. Als Soldat war er unmittelbar nach Kriegsende in Deutschland als Übersetzer tätig, verhörte Julius Streicher und begegnete Hermann Göring sowie Ernst Kaltenbrunner.

In die USA zurückgekehrt, war er in Hollywood beim Film beschäftigt und arbeitete dort unter anderem mit Charlie Chaplin zusammen. Chaplin pfiff ihm die Filmmusik für "Monsieur Verdoux - Der Frauenmörder von Paris" vor, die Kreisler auf Notenpapier schrieb und dann zu Hanns Eisler brachte, der die Orchestrierung besorgte. Auch war es Kreislers Klavierspiel, das aufgenommen wurde, wenn man Chaplin am Klavier sah. Da sein Erfolg insgesamt nur mäßig war, zog er im Oktober 1946 nach New York um.

 

Während seiner dort verbrachten Zeit trat er als Unterhalter in Nachtclubs auf und ging als Interpret eigener, in englischer Sprache verfasster Lieder auf Tournee durch die USA. Drei dort 1947 aufgenommene Schallplatten sind nicht erschienen, weil die Verantwortlichen der Produktionsfirma die teils morbiden oder makabren Lieder für „unamerikanisch“ hielten. Für Titel wie "Please Shoot Your Husband" oder "My psychoanalyst is an idiot" war die Zeit noch nicht reif. Der mangelnde Erfolg seiner vielfältig geäußerten Kulturkritik zog sich von da an durch Kreislers gesamte künstlerische Laufbahn. Er selbst sah das als typische Ignoranz der Zeitgenossen gegenüber der Satire. Erst im Jahr 2005 kamen die verloren geglaubten Aufnahmen aus dem Jahr 1947 auf einer CD als Beilage zu seiner Biografie heraus. 1950 bekam er ein Angebot, in der New Yorker Monkey Bar zu singen, und trat dort allabendlich auf.

Rückkehr nach Europa

Im Jahr 1955 hoffte er auf mehr Erfolg in Europa, ging zurück nach Wien und traf dort unter anderem mit Hans Weigel, Gerhard Bronner, Peter Wehle und Helmut Qualtinger zusammen. In der Marietta-Bar in der Wiener Innenstadt trat er erstmals mit deutschsprachigen Chansons auf und wurde zeitweise Mitglied des "Namenlosen Ensembles" um Bronner, Wehle und Qualtinger. Er musste allerdings die Erfahrung machen, dass das Publikum von Liedern wie "Tauben vergiften" keineswegs nur begeistert war. Eine Zeitlang durften seine Lieder im Österreichischen Rundfunk nicht gesendet werden.

 

1958 zog er nach München, wo er, frisch verheiratet, mit seiner dritten Ehefrau Topsy Küppers (Bild) Chansonabende gab. 1972 spielte er mit dem Gedanken, nach Israel auszuwandern, fuhr hin und kam nach wenigen Monaten wieder zurück. 1975 trennten sich Kreisler und Topsy Küppers. 1976 ging er nach Berlin. Ab 1977 trat er mit seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Barbara Peters auf, hauptsächlich bei den "Wühlmäusen" und den "Stachelschweinen". 1988 zog er von Berlin nach Hof bei Salzburg, lebte von 1992 bis 2007 in Basel und von Mai 2007 an wieder in Salzburg. Kreisler hatte einen Sohn (Thomas Kreisler, gestorben in L.A. 2006) von Philine Hollaender und von Topsy Küppers einen weiteren Sohn, Alexander und eine Tochter, Sandra, die als Chansonsängerin, Autorin, Regisseurin und Sprecherin tätig ist. Er war weitläufig verwandt mit dem Violinvirtuosen und Komponisten Fritz Kreisler.

Ab 2001 trat Georg Kreisler nicht mehr mit seinen Liedern auf. Stattdessen schrieb er Romane, Kurzgeschichten und Essays, komponierte und engagierte sich für eine eigenständige Schweiz und gegen einen EU- bzw. EWR-Beitritt. In einem offenen Brief an die Repräsentanten des Staates Österreich verbat er sich vor seinem 75. Geburtstag Gratulationen, „weil sich die Republik Österreich in den über vierzig Jahren, seit ich nach Europa zurückgekehrt bin, noch nie um mich geschert hat.“

 

Seine Tochter Sandra Kreisler wies darauf hin, es sei „in den letzten 60 Jahren noch nicht einmal jemand auf die Idee gekommen, dem Emigranten Kreisler ehrenhalber seine österreichische Staatsbürgerschaft zurückzugeben“.

Kreisler selbst sah sich nicht mehr als Österreicher und warf dem Staat vor, die Staatsbürgerschaft nur jenen wieder verliehen zu haben, die sich nach dem Anschluss arrangiert hätten:

 

„Aber auf keinen Fall bin ich Österreicher, denn im Jahre 1945, nach Kriegsende, wurden die Österreicher, die 1938 Deutsche geworden waren, automatisch wieder Österreicher, aber diesmal nur diejenigen, die die Nazizeit mitgemacht hatten. Wer unter Lebensgefahr ins Ausland geflüchtet wurde, also auch ich, bekam seine österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr zurück.“ 

- Thomas Rothschild - Zum Tod von Georg Kreisler:

  Bitte keine Heuchler im Kondolenzbuch! - In: Die Zeit, 23. November 2011.

Im Jahr 2007 übernahm die Berliner Akademie der Künste Kreislers Vorlass. 2009 erschien seine Autobiographie "Letzte Lieder".

 

Im November 2011 starb Georg Kreisler im Alter von 89 Jahren in Salzburg, nach Angaben seiner Ehefrau Barbara an den Folgen „einer schweren Infektion“. Er wurde am 1. Dezember 2011 auf dem Friedhof Salzburg Aigen beigesetzt; eine Trauerrede hielt Eva Menasse.

 

Stil

Kreisler war ein virtuoser Meister der Sprache, Mimik und Gestik. Er schlüpfte in dutzende verschiedene Sprachmasken, als verführerischer Frauenmörder (Bidla Buh, Machs dir bequem, Lotte) oder als gewalttätiger Unternehmer mit rechter Gesinnung (Kapitalistenlied), er konnte „jüdeln“ in jiddisch gefärbtem Deutsch („Nichtarische Arien“, „Lieder eines jüdischen Gesellen“), böhmakeln wie ein tschechischer Wiener Hausmeister (Telefonbuch­Polka, Der Bluntschli) und im sentimentalen Wienerisch das schmalzige Wienerlied makaber parodieren (Am Totenbett, Der guade alte Franz, Wo  sind die Zeiten dahin?). Er hat sich als Nestbeschmutzer mit schweizerdeutschem Tonfall in der Schweiz unbeliebt gemacht (Der Ausländer) und imitierte parodierend pathetische Schnulzensänger (Mütterlein, Lied für Kärntner Männerchor) und Seemannslieder (Der Paule, Der Weihnachtsmann auf der Reeperbahn). Stilistisch stand Kreisler in der Tradition des singenden Klavierhumoristen, der sich zu eigenkomponierten Liedern selbst begleitet; diese Kunstform wurde bereits Mitte der 1920er Jahre im deutschsprachigen Raum durch Künstler wie Willy Rosen, Austin Egen oder Hermann Leopoldi etabliert.

Seine Lieder, manchmal surrealistisch und der absurden Lyrik zuzurechnen (Zwei alte Tanten tanzen Tango, Frühlingsmärchen, Bessarabien), sind von hintergründigem, oftmals schwarzem Humor geprägt und üben oft, mit den Jahren immer stärker, beißende Kritik an Gesellschaft und Politik.

 

Viele seiner Lieder sind Klassiker geworden wie "Taubenvergiften im Park", "Als der Zirkus in Flammen stand", "Zwei alte Tanten tanzen Tango", "Der Musikkritiker", "Der General", "Kapitalistenlied", "Meine Freiheit, Deine Freiheit", Wir sind alle Terroristen" sowie das „Ein-Frau-Musical“ Heute Abend - Lola Blau.

 

Georg Kreisler war bekennender Anarchist, was auch in einigen seiner Lieder zum Ausdruck kommt, beispielsweise in "Kapitalistenlied", "Meine Freiheit, Deine Freiheit", "Sie sind so mies", "Ihr wißt gar nichts", "Wir sind alle Terroristen" oder "Wenn alle das täten".

Urheberrechtsprozess

1984 erfuhr Georg Kreisler aus dem Programmheft eines Wiener Theaters, dass sich Topsy Küppers als Autorin seines Stücks "Heute Abend: Lola Blau" ausgab. In einem 14 Jahre dauernden Rechtsstreit, in dem das Gericht zunächst der Argumentation von Küppers folgte, bekam Georg Kreisler schließlich Recht.

Verhältnis zu Gerhard Bronner

1989 erschien Kreislers Erinnerungsbuch "Die alten, bösen Lieder", in dem Gerhard Bronner „gar nicht gut wegkommt“.

Das Buch verschwand unmittelbar nach seinem Erscheinen aus dem Handel und wurde nicht nachgedruckt; es erschien erst acht Jahre später (stark gekürzt und bearbeitet) in einem deutschen Verlag.

 

Der Wiener Verlag Ueberreuter beteuerte, ein Wasserschaden habe die Auflage vernichtet. Kreisler verdächtigte Bronner, hinter dem Verschwinden seines Buches zu stecken. Bronner, der Kreisler so sehr hasste, […] hatte jedenfalls ein Motiv. Bronner war von der Behauptung nicht abzubringen, „Vom Kreisler gibt es keine eigene Zeile. Der hat alles gestohlen.“

 

Bronner beschuldigte Kreisler in seiner Autobiografie "Spiegel vorm Gesicht". Erinnerungen des Plagiarismus. So beschrieb er, dass Kreisler ihm in der Marietta-Bar von Tom Lehrers Liedern erzählt habe und ebenso zugab, die Idee des Liedes "Tauben vergiften" von diesem übernommen zu haben. Bronner meinte, „Ich wusste, dass unsere Freundschaft nicht von Dauer sein würde.“ Kreisler selbst bestritt diese Behauptungen energisch. Er gab an, sich in Bronners "Namenlosem Ensemble" nie wohlgefühlt zu haben, da ihm die praktizierte Form des Kabaretts zu wenig kritisch war.

 

 

Plagiatsvorwürfe

Basierend auf textlichen und musikalischen Ähnlichkeiten wurde Kreisler mehrfach vorgeworfen, er habe in drei seiner Chansons Ideen und Material von anderen Künstlern verwendet, ohne dies in der üblichen Weise (z. B. durch „Frei nach einem Lied von …“) anzugeben. Kreislers "Ich hab’ deine Hand" ist dem Lied von Tom Lehrer "I Hold Your Hand in Mine, Dear" sehr ähnlich, das zuerst im Jahr 1953 im Album "Songs by Tom Lehrer" erschienen war; "Tauben vergiften" von Kreisler ähnelt Lehrers Lied "Poisoning Pigeons in the Park". Kreisler hätte die Gelegenheit gehabt, dies bei Auftritten von Tom Lehrer zwischen 1953 und 1955 zu hören. Gerhard Bronner, der nach Kreislers Rückkehr mit ihm in Wien zusammengearbeitet hat, beschreibt in seiner Autobiographie "Spiegel vorm Gesicht", dass Kreisler dieses Lied Lehrers schon zu der Zeit bekannt war. "Das Mädchen mit den drei blauen Augen" von Kreisler ähnelt Abe Burrows’ Lied "The Girl with the Three Blue Eyes" (erste Tonaufnahme: 1950). In seiner Autobiografie "Die alten, bösen Lieder" bestritt Kreisler ein Plagiat. Er schrieb dazu unter anderem: „Ich möchte aber keineswegs behaupten, daß Lehrer das betreffende Lied von mir gestohlen hat, denn dann wäre ich ja nicht klüger als er. Viele Varianten sind möglich. Vielleicht hat jemand mein Lied gehört und ihm die Idee vorgeschlagen, ohne meinen Namen zu nennen. Ebensogut ist es möglich, daß wir unabhängig voneinander auf dieselbe Idee kamen.“  

Tom Lehrer selbst sagte in einem Interview: „Kreisler ist ein Wiener, der zwei meiner Lieder gestohlen hat.“

Auszeichnungen

1994: Goldenes Ehrenzeichen der Stadt Wien

1994: Schweizer Kabarett-Preis Cornichon

2003: Prix Pantheon in der Kategorie Reif & Bekloppt

2004: Richard-Schönfeld-Preis für literarische Satire

2004: Bayerischer Kabarettpreis Der Goldene Spaten (Ehrenpreis) 2004: Stern auf dem Sterne der Satire - Walk of Fame des Kabaretts in Mainz

2010: Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg

 

Werke

Ein ausführlicheres, aber nicht vollständiges Werkverzeichnis ist auf den Seiten 297–311 des Buches "Georg Kreisler gibt es gar nicht. Die Biografie von Hans-Juergen Fink und Michael Seufert" zu finden. Noch deutlich detaillierte Verzeichnisse von Werken, Schriften und Tonaufnahmen stehen im Kreisler-Eintrag von Frédéric Döhl in der Enzyklopädie "Komponisten der Gegenwart". Dieser Artikel sowie der von Michael Custodis und Albrecht Riethmüller herausgegebene Band "Georg Kreisler. Grenzgänger" enthalten zudem eine Reihe von Faksimiledrucken von hand- und maschinenschriftlichen Noten, Texten und Skizzen Kreislers (siehe unter Literatur). Kreislers umfangreicher künstlerischer Nachlass befindet sich im Georg-Kreisler-Archiv der Akademie der Künste Berlin.

 

 

 

 

 

(Georg-Kreisler-Karikatur des Schweizer Grafikers Jürgen von Tomeï, ca. 1975)


 

Videos, Downloads




*Immanuel Kant

 

Erstellt: 20180227

Aktualisiert: 20190301 | 20190528  20190815

Wikipedia: Diese Seite wurde zuletzt am 11. August 2019 um 13:22 Uhr bearbeitet.